Lauftechnik - Gibt es den "Richtigen Laufstil"?

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Lauftechnik - Gibt es den "Richtigen Laufstil"?

Man hört es immer wieder: "Der perfekte Fußaufsatz." oder "Die richtige Lauftechnik." Aber gibt es diese wirklich? In diesem Blog wollen wir mit dem Thema "Lauftechnik" einen weiteren Einblick in unsere Trainingsphilosophie geben.
Unsere klare Antwort: Jein. So individuell, wie jeder Athlet ist, ist auch der "richtige" Laufstil. Aber es lohnt sich definitiv, an seiner Lauftechnik konsequent zu arbeiten. Denn die Lauftechnik kann sowohl durch systematische Analysen als auch durch ergänzende Trainingseinheiten verbessert werden. Denn das Ziel, welches wir mit einer Verbesserung der Lauftechnik verfolgen, ist durch die Bank identisch: weniger Beschwerden / Verletzungen und ein effizientes laufen.

Sehen wir uns zum Start zwei Videos von Profis an, in welchen schnell ersichtlich wird, dass der Laufstil sehr individuell ist:

1. Paula Radcliffe (UK) - Weltrekord 2003 beim London Marathon:

Interessante Kopfbewegungen, oder?

2. Yuki Kawauchi (Japan) - Sieger beim Boston Marathon 2018:

Wer hat gesagt, man benötigt einen ordentlichen Armschwung?

Marathon-PBs: 2:15h (Paula), bzw. 2:08h (Yuki). Hier wird jeder wohl denken: "Nehme ich!" Also das Wichtigste vorweg: fast jede Lauftechnik kann zum Erfolg führen.

Grundlagen - Die 3 Bewegungs-Phasen

Das Laufen ist eine zyklische und somit wiederkehrende Bewegung. Dies bedeutet: ein bestimmter Bewegungsablauf wiederholt sich ständig.
Lasst uns dazu einmal die Laufbewegung in drei grundlegende Phasen einteilen. Diese wollen wir anschließend nutzen, um Euch zu zeigen, wie Ihr an der jeweiligen Bewegungssequenz individuell und zielgerichtet arbeiten könnt:

  • Phase I: Standphase
  • Phase II: Stützphase
  • Phase III: Schwungphase

Phase I: Standphase

Die Standphase beginnt mit dem Bodenkontakt des Fußes und beschreibt die Landung sowie das Stabilisieren des Fußes auf dem Untergrund. Bei Betrachtung des ersten Bodenkontakts können wir drei verschiedene Techniken, wie der Fuß aufgesetzt wird, unterscheiden:

  • Vorfuß
  • Mittelfuß
  • Ferse

Die drei Laufstilarten unterscheiden sich insbesondere dadurch, wie der Fuß auf dem Boden landet. Hier möchten wir ebenfalls darauf hinweisen, dass es keine universal geltende Lösung gibt, die für jeden Läufer gilt. Oftmals ergibt sich die Idee, etwas am "Abrollverhalten" zu verändern, wenn man sich die biomechanischen Werte beim Laufen anschaut.
Interessante Fragestellungen sind hier beispielsweise: Was passiert mit meiner Bodenkontaktzeit, wenn ich weniger über die Ferse, sondern mehr über den mittleren Teil des Fußes lande?
Wie verändert sich meine Schrittlänge, wenn ich den Schwerpunkt beim Landen etwas nach vorne verschiebe?
Ist mein Schritt zu lang und bremst mich eher als Vortrieb zu erzeugen?
Die beschriebenen Daten lassen sich unter anderem mit einem Herzfrequenz-Messgurt, oder Lauf-Pod (z.B. Stryd) erheben und bieten in der Nachbetrachtung eine gute Möglichkeit seine
Lauftechnik selbst zu analysieren. Vor allem in Kombination mit Video-Aufnahmen lässt sich dann ein Gesamtbild erzeugen, welches hervorragend für die individuelle Optimierung genutzt werden kann (Abrollverhalten visuell + Leistungsdaten digital).
Die vordere Oberschenkelmuskulatur ist vor dem Aufsetzen des Fußes am Boden aktiv. Nach dem Aufsetzten wird die Kraft die daraus resultiert auf Muskeln, Sehnen und Bänder verteilt. Um den Oberkörper und dem Becken genügend Stabilität während der Standphase zu verleihen, ist eine starke Rumpfmuskulatur notwendig.

➡ Tipp: Athletik-Training

Versuche Deine Athletik zunächst möglichst variabel zu trainieren und aufzubauen. Binde
verschiedene und immer mal wieder neue Übungen mit ein, beispielsweise im wöchentlichen Rhythmus, und gestalte die Übungen an sich ebenfalls unterschiedlich. Auch Stabilitäts- und Gleichgewichts-Übungen sollten in Deinem Training verwendet werden. Der Einbein Stand sollte in jedes Athletik-Lauftraining integriert werden.

Hier kannst Du anschließend dynamische Elemente wie Wackel-Pad, Balance-Boards oder
Gymnastikbälle verwenden, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Basic Athletik Übungen für Läufer sind unter anderem Seitstütz, Unterarmstütz und Liegestütz.

Phase II: Stützphase

Die Stützphase beschreibt die Zeit, nachdem der Fuß auf dem Boden aufkommt und wir unser gesamtes Gewicht abfedern bzw. wieder in einen Schwungzustand versetzen. Die auftretenden Kräfte, die unser Stützapparat hierbei aufnehmen muss, können bis zu dem dreifachen Körpergewicht betragen. Während der Stützphase benötigen wir also neben einer gut ausgeprägten Rumpfmuskulatur (siehe Athletik) vor allem die Muskulatur des Gesäßes und der Oberschenkel:

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Visualisierung der Stützphase + wichtige Muskelgruppen.

➡ Tipp: Krafttraining

Um die Beschleunigungskräfte in Energie "nach vorne" umzuwandeln, ist eine starke Muskulatur für den Vortrieb wichtig. Hierbei lohnen sich Übungen, die sich auf die primären Muskelgruppen des Läufers fokussieren. Diese Art des fokussierten Krafttrainings nennen wir "präventiv", da wir dadurch nicht nur eine schnellere Laufbewegung erreichen, sondern auch das Risiko von Beschwerden und Verletzungen reduzieren. Ähnlich wie beim Athletik-Training lohnt es, die Übungen ohne große Gewichte durchzuführen und eine Variation einzubauen (abwechselnde Übungen, dynamische Elemente).

Beispiele für geeignete Übungen sind Ausfallschritte, Kniebeugen oder die Brücke.

Phase III: Schwungphase

Die Schwungphase beginnt nach dem Abheben der Zehen vom Boden durch die Beschleunigung (unter anderem mit den Armen) und endet mit dem Aufsetzen des Fußes und der Abbremsphase (siehe Phase I).
Die Laufgeschwindigkeit wird insbesondere hier bestimmt, da sich - mathematisch betrachtet – aus dem Produkt der Schrittfrequenz und Schrittlänge ergibt:
Laufgeschwindigkeit = Schrittfrequenz x Schrittlänge

Die Flugphase wird durch einen ausgeprägten Kniehub, eine gute Hüftstreckung sowie einen
schwungvollen Armzug verlängert. Diese Elemente sorgen dafür, dass wir am Ende einen lang gezogenen Schritt erreichen und der initiale Bodenkontakt kurz vor dem Körperschwerpunkt liegt.
Eine kürzere bzw. idealere Schrittfrequenz erreichen wir, indem wir die Bodenkontaktzeit
versuchen so kurz wie möglich / nötig zu realisieren. Oftmals "stehen" wir zu lange auf einem Fuß, wodurch die Laufgeschwindigkeit unnötig verlangsamt wird.
Während der Schwungphase arbeiten vor allem die Muskulatur des hinteren Oberschenkels, der Hüftbeuger, die vordere Oberschenkelmuskulatur sowie die Wadenmuskulatur.

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Sprungtraining ist essenziell für eine längere "Flugphase".

➡ Tipp: Plyometrische Übungen = Sprung-Training

Seilspringen, Hüpfen oder wiederholende Treppensprünge sind beispielhaft für eine Optimierung der Laufgeschwindigkeit (Frequenz + Schrittlänge) genannt. Interessant wird das Training vor allem, wenn man die Möglichkeit hat auf einer Bahn unterschiedliche Elemente wie Hütchen oder kleine Hürden einzubauen. So kannst Du neben einem bewussten Abdrücken auch die Variation Deiner Frequenz (Schritte pro Zeitintervall) verfeinern oder an einer verbesserten Schrittlänge arbeiten.

Unabhängig von den dargestellten Phasen, bildet das sogenannte Lauf-ABC ebenfalls eine wichtige Grundlage für jeden Läufer. So können wir dort mit verschiedenen Übungen alle drei Phasen unterstützend erlernen und verbessern.
Denn eines ist auch beim Laufen klar: Wer nur läuft, trainiert diese Muskulatur nicht so, dass er seinen Laufstil verbessern kann. Deshalb empfehlen wir nicht nur die Übungen des Lauf-ABCs, sondern vor allem Sprünge und Übungen, die Deine Stabilität im Hüftbereich verbessern.
Dazu könnt Ihr Euch sehr gerne auch unseren Podcast anhören, wo wir die wichtigsten Inhalte dieses Blog-Beitrags für Euch zusammenfassen:

REGELMÄßIGKEIT BEIM TECHNIKTRAINING FÜHRT ZUR
LEISTUNGSSTEIGERUNG BEIM LAUFEN.

So wie wir an unserer Grundlage, Ausdauerfähigkeit oder Tempohärte arbeiten, müssen wir auch an der Lauftechnik arbeiten.
Es gibt sehr viele individuelle Laufstile, jedoch zeigen sich einige generelle technische Aspekte, die von den meisten schnellen Läufern durchgeführt werden.
Hier lohnt es die Technik in drei Hauptphasen zu unterteilen und gezielt einzelne Aspekten
herauszustellen. Athletik-Training (Standphase), präventives Krafttraining (Stützphase) und Sprung- Training (Schwungphase) können zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Technik beitragen und sind unerlässlich in der technischen Entwicklung des Läufers.
In Summe bilden die dargestellten Puzzleteile ein großes Konstrukt, mit welchem wir
verletzungsfreier und vor allem schneller laufen.

Doch nun die gute Nachricht zum Schluss: bereits zweimal 20 Minuten "Techniktraining" pro
Woche reichen aus, um mit einigen wenigen, aber sehr effektiven Übungen Erfolge zu erzielen.

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Eine Verbesserung der Lauftechnik erfolgt durch die Integration zusätzlicher Trainingsinhalte.

1. September 2022
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